Neuausrichtung von Retailbanken für das neue digitale Zeitalter

12
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October
2024

Die Neuentwicklung der Finanzmärkte zeigt: Das derzeitige Modell des Universalbankgeschäfts für Privatkunden ist nicht (mehr) zukunftsfähig. Banken müssen sich neu erfinden und auf Geschäftsbereiche konzentrieren, mit denen sie auf dem Parkett der digitalen Welt mitspielen können, bevor über eine künftige Marktführungsposition nachgedacht werden kann.

Der direkte Weg zum Erfolg ist die Konzentration auf bestimmte Geschäftsbereiche des Universalbankmodells – die Bewältigung von Lebensereignissen (mit komplexen Kreditprodukten), tägliche Bankgeschäfte (Einlagenkonten, Zahlungen und Kreditkarten) oder der Aufbau und Schutz von Vermögen –, in denen die Bank wiederum ein Werteversprechen bieten und auch einhalten kann, das im neuen digitalen Zeitalter funktioniert und erfolgreich ist. Banken, die dogmatisch traditionelle Schemata verfolgen, können nicht überleben. Warum? Weil sie dadurch die Basis ihres Kerngeschäfts aus den Augen verlieren: ihre Kundschaft! Marktführer werden in Zukunft wie Technologieunternehmen agieren, die über fortschrittliche Datenkapazitäten, einen hochmodernen Technologie-Stack sowie ein agiles Betriebsmodell verfügen und die Kunden in den Fokus rücken. Obwohl viel von der Bedrohung durch Fintechs und „Big Tech“ die Rede ist, können Banken im Privatkundengeschäft weiterhin führend sein – sie müssen allerdings agiler werden. 

Das Bankwesen steht vor großen Herausforderungen

Es gibt Dinge, die ändern sich nie: Unterschiede in der Rentabilität wichtigster Geschäftsbereiche des Privatkundengeschäfts gab es schon immer. Das tägliche Bankgeschäft diente oft als Grundlage für den Aufbau lebenslanger Kundenbeziehungen.

Die neuen Märkte und ihre Zielgruppen entwickeln sich jedoch schnell und lassen nur wenig Spielraum für unzureichende Leistungen zu. Um weiterhin erfolgreich zu bleiben, sollten Banken somit wissen, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, welche Maßnahmen Chancen bergen, welche nicht. Außerdem sind sie gut beraten, ihre strategisch wichtigsten Ertragsquellen zu schützen, weiterzuentwickeln und auszubauen. In Europa, Nordamerika und den asiatischen Industrieländern müssen Retailbanken neue Technologien einsetzen – einschließlich eines Digital-First-Geschäftsmodells und eines Hybrid-Cloud-Kerntechnologie-Stacks –, um die Kostenkurve grundlegend abzuflachen. Die Herausforderungen für traditionelle Universalbankmodelle und damit einhergehende strategische Ausrichtungen sind natürlich von Region zu Region unterschiedlich – was eine exakte Prüfung der Rentabilität einzelner Geschäftsbereiche erschwert. Mit Innovationstreibern Schritt zu halten und neue Einnahmequellen in den Bereichen komplexe Kreditvergabe und Vermögensabsicherung durch End-to-End-Journeys und Personalisierung zu erschließen, wird somit immer schwieriger.

Der Wettbewerb um Kundenbeziehungen hat sich auf ein neues, für die Banken unbekanntes Terrain verlagert, auf dem sich viele etablierte Banken wenig zurechtfinden. Und das Druckpotenzial steigt: Banken können es sich nicht leisten, die Kundschaft zu verlieren – vor allem, wenn scheinbar die einzige Möglichkeit (vergleichbar erfolgreiche Zahlen wie früher zu schreiben) darin besteht, Kontogebühren zu erhöhen. Sie müssen sich mit neuen, zukunftsorientierten und funktionalen Wertangeboten und Geschäftsmodellen wappnen, um in der weiteren Entwicklung eine Rolle spielen zu können.

Die Schwachstellen des Universalbankmodells werden allerdings immer gravierender, da sich das Wettbewerbsumfeld durch wesentliche Trendbewegungen weiter verändert:

  • Digitaler Wettbewerb, der Ertragsströme traditioneller Banken umleitet
  • Verlagerung der Größenvorteile von Filialen zu Online-Modellen
  • Die Verbraucherschaft fordert mehr digitale Angebote und unkomplizierte Abläufe

Wie Kundinnen und Kunden mit der Retailbank der Zukunft umgehen werden

Wie bereits erläutert, müssen Banken ihr Werteversprechen neu formulieren und dabei berücksichtigen, wie wichtig es ist, gleichzeitig das Kundenerlebnis zu vereinfachen und zu verbessern. Außerdem muss durch Daten Mehrwert geschaffen werden. Der Fokus sollte dabei auf dem Privatkundengeschäft liegen oder, je nach Kapitalausstattung und Wettbewerbsstärke, mehrere Geschäftsbereiche priorisieren, um eine digitale Plattform zu entwickeln, die die Costumer-Journey unterstützt. Die gesamte Wertschöpfungskette von der Suche über das Einkaufen bis hin zur Verwaltung der vorrangigen Geschäftsbereiche ist dabei als Gesamtprozess zu betrachten.

  1. Die Plattform für Wohn- und Lebensereignisse (oder komplexe Kreditvergabe) würde den Kundennutzen durch definierte Kooperationsmodelle erhöhen: Der gesamte Prozess für größere Lebensunternehmungen könnte dadurch in einer Lösung abgebildet werden.
  2. Das tägliche Bankgeschäft würde sich auf die Vereinfachung der täglichen Einkaufsaktivitäten konzentrieren: Innerhalb der Customer-Journey kann Kunden ein schneller, bequemer Zugang zu verschiedenen Services oder Händlern ermöglicht werden, indem Transaktionen nahtlos in die ohnehin stattfindenden Einkaufsprozesse integriert werden.
  3. Vermögens- und Absicherungsdienstleistungen würde als Plattform mit der rechtssicheren Nutzung von Kundendaten konkurrieren: So kann eine personalisierte Beratungslösung geboten werden, die Anleger beim Aufbau und den Schutz von Vermögen über Jahrzehnte hinweg unterstützt

Die Einführung solcher plattformbasierter Geschäftsmodelle wird Banken dazu zwingen, auf Einnahmen in einigen Bereichen (z. B. Nettozinsmargen, Transaktionsgebühren und Provisionen im Wertpapierhandel) zu verzichten, um sich auf ein schnelles Wachstum im Zielgeschäft zu konzentrieren. Jedes der gerade beschriebenen Geschäftsmodelle könnte bei erfolgreicher Umsetzung die Rentabilität von Retailbanken nachhaltig steigern – sofern das Verhältnis von Kosten zu Erträgen zwischen 40 und 50 Prozent läge.

 

Neben einer stärkeren Produktdurchdringung im Kundenstamm gehören zu den damit verbundenen Ertragshebeln auch neue Einnahmequellen mit Partnern aus dem Ökosystem. Die Hebel zur Kostensenkung wären für jedes Modell zwar unterschiedlich, könnten aber die Filialnetze sinnvoll unterstützen und die maximale Automatisierung der Kundenakquise/des Onboardings, der Kreditprüfung, der Kundenbetreuung etc. begünstigen.

Arbeiten Sie wie ein Technologieunternehmen

Banken müssen in ihrer Struktur wie ein Technologieunternehmen funktionieren, um eine plattformbasierte Value-Proposition einhalten zu können, die dem Markt entspricht. Deshalb sollte sich das Top-Management auf die Entwicklung bestimmter Kompetenzen konzentrieren, die für ein plattformbasiertes Geschäftsmodell unverzichtbar sind: ein hochmodernes Technologiepaket, Datenanalytik und ein flexibles Betriebsmodell.

Moderner Technologie-Stack zur Kostensenkung und Beschleunigung von Innovationen

Jedes innovative Geschäftsmodell steht und fällt mit seiner IT-Infrastruktur: Egal um welche Prozesse es sich handelt – sie muss erhebliche Schwankungen in der Nachfrage nach Streaming- und Verarbeitungskapazitäten bewältigen und neue Lösungen durch schnelle Innovationszyklen bieten. Zu entscheiden, welche Komponenten intern entwickelt werden sollten, um die Wettbewerbsdifferenzierung zu stärken, ist eine der größten Herausforderungen bei der Gestaltung der neuen Architektur. Welche Elemente der Infrastruktur ausgelagert werden können und sollten – um die Kosten und das Risiko von Serviceunterbrechungen im Zusammenhang mit Aktualisierungen und Upgrades zu verringern – und wie diese Schnittstellensystematik reibungslos funktioniert, ist die nächste Frage. 

Dafür erforderliche Cloud-Dienste haben bisweilen einen Reifegrad und eine Zugänglichkeit erreicht, wodurch Banken vielfältige Optionen haben, um die Anforderungen eines maximal automatisierten, digital ausgerichteten Geschäfts zu erfüllen und neue wertschöpfende Partnerschaftsmodelle zu entwickeln.

Nutzung von Daten für Personalisierung und stärkere Kundenbindung

Um mit Technologieunternehmen auf Augenhöhe um Daten konkurrieren zu können, benötigen Banken eine ganzheitliche Dateninfrastruktur zur Unterstützung der Datenerfassung, -speicherung und -analyse sowie einen digitalen Marketingmotor. Ansonsten haben Banken gegenüber Big Tech einige Vorteile in Bezug auf die Kundenbindung und Verarbeitung von Daten. 

Dafür muss aber vor allem daran gearbeitet werden, analytische Erkenntnisse in personalisierte Botschaften umzusetzen, um individuelle Bedarfe zu erkennen und Kundenbedürfnisse und -absichten vorwegnehmen zu können.

Agilität, um schnell auf sich verändernde Märkte zu reagieren

Durch ein agiles Betriebsmodell und den Aufbau eines ausbalancierten Verhältnisses zwischen Talenten und Fähigkeiten werden Key-Player in Zukunft Geschwindigkeit als zentralen Wettbewerbsvorteil nutzen – so entsteht High-Perfomance.

Konsistente Abläufe, effektive Kommunikation und systemische Arbeitsmuster in performanten Teams ermöglichen es einer Organisation, Mittel umzuverteilen und schnell neue Arbeitsgruppen zu bilden, wenn sich neue Möglichkeiten ergeben oder sich Prioritäten ändern: Banken müssen den Übergang zu einer flexiblen Corporate Culture vorantreiben, um in der Lage zu sein, organisch halbautonome Teams zu bilden, die schnell Lösungen im Einklang mit der Unternehmensstrategie liefern können. So werden funktionsübergreifende Zusammenarbeit und sämtliche Arbeitsabläufe gestärkt und optimiert.

Der ausgewogene und gemeinsame Wirkungsgrad von Talenten und Fähigkeiten wird dabei eine zentrale Herausforderung für Banken sein. Die Schulung der bestehenden Belegschaft für breitere Tätigkeitsfelder ist dabei ein Schlüsselelement. Hierbei spielt die Auseinandersetzung mit dem Thema Employer Brand im ersten Schritt eine Rolle, aufbauend dazu die Weiterbildung der Mitarbeitenden zu interdisziplinären Fachkräften: Untersuchungen zeigen, dass eine Umschulung bestehender Kräfte 20 bis 30 Prozent effizienter sein kann als die Einstellung von neuen Mitarbeitenden. Mitarbeiterbindung ist nicht nur im Hinblick auf die Stärkung einer Marken- oder Unternehmensidentität entscheidend, sondern sorgt dabei automatisch für eine höhere Kundenzufriedenheit – und somit auch für eine Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit.

In der neuen digitalen Welt werden die Banken erfolgreich sein, die sorgfältig Geschäftsbereiche auswählen, in denen sie eine Führungsposition einnehmen können. Der heutige Markt für das Privatkundengeschäft unterscheidet sich erheblich vom klassischen Umfeld, in dem das traditionelle Modell des Universalbankgeschäfts wirtschaftlich solide war. Ein neues Werteversprechen, innovative Kerntechnologie und agile Betriebsmodelle sind nötig, um sich in Zukunft im Finanzbereich behaupten zu können.

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